Arginin – eine Aminosäure mit Potenz?

Was steckt hinter der Werbung zu L-Arginin?

Arginin soll die Durchblutung steigern und dadurch die Erektions­fähigkeit verbessern: „Für deutliche Leistungssteigerung – auch im Bett“, „Mehr Ausdauer plus härtere Erektion“, „gegen Potenz­schwäche und zur Verbesserung der Erektions­fähigkeit“, „Arginin ist ein natürliches Potenzmittel“ – die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel mit der Aminosäure L-Arginin weckt bei Männern große Hoffnungen. Manchmal werden sie von Herstellern aber auch geradezu veralbert wie einem Produkt „für Weihnachtsmänner“ oder „Gartenzwerge“, mit dem das geltende Recht umgangen werden sollte.

Untersuchungen mit sehr hohen Dosen Arginin zeigten einen Einfluss auf Gefäße und Blutdruck. Als Arzneimittel und in der Hand des Arztes kann L-Arginin möglicherweise bei ganz bestimmten Erkrankungen der Gefäße (Arterio­sklerose) hilfreich sein. Ob es jedoch Herz und Kreislauf wirklich schützt, kann aufgrund fehlender aussagekräftiger Studien nicht bewertet werden.

Einige klinische Studien zeigten positive Effekte von Arginin bei leichten und mittleren Erektionsstörungen. Häufig wird in solchen Studien die kombinierte Wirkung von Arginin mit Arzneistoffen wie Sildenafil oder Tadalafil oder mit Pflanzenstoffen untersucht, auch sind die eingesetzten Dosen an Arginin unterschiedlich hoch. Daher sind die Studienergebnisse uneinheitlich und oft widersprüchlich.

In der aktuell geltenden Leitlinie für Ärzte zu den Behandlungsmöglichkeiten einer erektilen Dysfunktion, wie Potenzschwäche oder verminderte Erektionsfähigkeit medizinisch bezeichnet wird, wird L-Arginin nicht genannt.

Gesundheitsbezogene Aussagen für Nahrungsergänzungsmittel (Health Claims) müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA wissenschaftlich geprüft und von der EU zugelassen sein. Für L-Arginin in Nahrungs­ergänzungs­mitteln gibt es keine zugelassenen Gesundheits­versprechen. So erfolgt die Werbung mit einem gesundheitlichen Nutzen oft über andere zugesetzte Stoffe, wie Selen und Zink.

Auf was sollte ich bei der Verwendung von L-Arginin-Produkten achten?

Statt den Versprechungen für Nahrungs­ergänzungs­mittel zu vertrauen, sollten Sie zunächst einen Arzt aufsuchen.

Erektionsschwäche kann ein wichtiger Hinweis auf eine zugrundeliegende Krankheit sein, z.B. auf Verengungen der Blutgefäße des Herzens. Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Potenzschwäche sind wenig Bewegung, Übergewicht, Rauchen und erhöhte Cholesterinwerte. Eine Lebensstiländerung führt häufig schon zu einer deutlichen Verbesserung der Potenzstörung.

Auf den L-Arginin-Produkten seriöser Hersteller finden Sie Warnhinweise für bestimmte Personengruppen. So sollten Sie z.B. das Produkt nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden, wenn Sie mit blutverdünnenden Arzneimitteln behandelt werden (z.B. Marcumar). L-Arginin darf mit Medikamenten, die Nitrate enthalten (z.B. Amylnitrit) oder potenzsteigernden Mitteln mit (verschreibungs­pflichtigen) Wirkstoffen wie z.B. Sildenafil, nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden. Wenn Sie bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, sollten Sie ganz auf eine Anwendung verzichten.

Neben scheinbar ganz natürlichen Zutaten, wie L-Arginin und Pflanzenextrakten, sind nicht deklarierte Arzneistoffe in Potenzmitteln aus dem Internet leider keine Seltenheit. Sie können z. B. nicht angegebene verschreibungs­pflichtige Arznei­substanzen wie die PDE-5-Hemmer Sildenafil oder Tadalafil oder nicht zugelassene ähnlich aufgebaute chemische Substanzen wie Sulfoail­denafil enthalten. Mehrere Lebensmittel­überwachungs­ämter raten deshalb dringend davon ab, Potenzmittel über das Internet zu bestellen.

Was ist L-Arginin?

L-Arginin ist eine der stickstoff­reichen Aminosäuren. Sie zählt zu den bedingt unentbehrlichen (semi-essentiellen) Aminosäuren, d.h. der Körper kann sie zwar selber bilden, doch reicht diese Menge in bestimmten Situationen nicht immer aus. Mit einer ausgewogenen Mischkost nehmen Sie schätzungsweise 5 bis 6 Gramm Arginin pro Tag auf.

Arginin ist wichtig für die Bildung von Stickstoff­monoxid im Körper. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Stickstoff­monoxid die Blutgefäße weitet und den Blutdruck senkt. Wenn nicht genügend Arginin zur Verfügung steht, kann es zu Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck und auch zu Erektions­störungen kommen. Ob sich jedoch mit einer erhöhten Arginin-Zufuhr das Risiko zum Beispiel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken oder Erektionsstörungen beheben lassen, ist derzeit nicht ausreichend geklärt.

Eine echte Unterversorgung mit L-Arginin ist nicht bekannt. Nur bei bestimmten Erkrankungen, wie Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes, wird weniger L-Arginin im Körper gebildet. Über eine ausgewogene Ernährung kann meist genug L-Arginin aufgenommen werden, um das auszugleichen.

Welche Inhaltsstoffe sind in L-Arginin-Produkten noch enthalten?

In vielen Produkten, die L-Arginin enthalten, werden zusätzlich noch Vitamine und Mineralstoffe eingesetzt. Diese Stoffe werden dann mit (erlaubten) Aussagen beworben, die einen indirekten Bezug zu Potenz und sexueller Leistungs­fähigkeit haben. Das können z.B. sein „Vitamin B2, B6, B12 und Eisen – trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei“ oder „Vitamin C, Magnesium und Eisen – trägt zu einem normalen Energiestoff­wechsel bei“. Die Mineralstoffe Zink und Selen dürfen mit einem „Beitrag zum normalen Testosteron­spiegel“ bzw. „zur normalen Spermien­bildung“ angepriesen werden.

Häufig sind Koffein oder Guarana als koffeinhaltige Pflanze enthalten. Die Koffeinmenge kann durchaus der von ein bis zwei Tassen Kaffee entsprechen. Koffein hat bekanntermaßen eine durchblutungs­fördernde Wirkung.

Exotische Pflanzen wie z.B. Besenreifkraut, Juckbohnen oder Sandmalve sind in der Europäischen Union keine traditionellen Lebensmittel­pflanzen und nicht als Bestandteile von Nahrungs­ergänzungs­mitteln zugelassen.

Mit nicht deklarierten Arzneistoffe sollten Sie bei Potenzmitteln aus dem Internet immer rechnen, auch wenn sie als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden.

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