Wellhausens Name wird immer mit höherer Kritik am Alten Testament, dem Studium hebräischer und griechischer Schriften aus rein wissenschaftlicher und kritisch-historischer Sicht in Verbindung gebracht werden. Er untersuchte den Ursprung der hebräischen Bibel, der Juden und des Judentums vor dem Hintergrund der altorientalischen Reiche Assyrien, Neubabylonien, Persien und der mazedonisch-griechischen Staaten Seleukos und Ptolemäus. Wellhausen bleibt ein dominierender Einfluss auf die modernen hebräischen Bibelstudien.
Julius Wellhausen wurde am 17.Mai 1844 in Hameln geboren. Sein Vater war ein lutherischer Minister; Julius war in der gleichen Berufung zu folgen. Wellhausen wurde in der Zeit von 1862-65 nach Göttingen geschickt, um bei Heinrich Ewald, einem Hebraisten und Alttestamentler, zu studieren. Wellhausen und Ewald hatten jedoch in den Jahren 1866-70 einen allmählichen Streit. Die beiden stritten sich über die richtige Auslegung des Alten Testaments und über die preußische Politik. Wellhausen promovierte 1870 in Theologie und lehrte anschließend zwei Jahre in Göttingen. 1872 erhielt Wellhausen eine Professur in Greifswald an der Ostsee. Er trat 1882 zurück, weil er glaubte, dass seine Lehren eine schlimme Wirkung auf Theologiestudenten hatten, die für das Ministerium bestimmt waren, und weil er zu einer kontroversen Figur über seine veröffentlichten Ansichten über das Alte Testament geworden war.
Bis 1882 hatte Wellhausen bereits viele wichtige Bücher geschrieben. Sein erstes Werk war De Gentibus et Familus Judaeis (1870), das sich mit den alttestamentlichen Genealogien befasste. Dann kam Der Text Der Bucher Samuelis Sucht (1871). Er hielt den erhaltenen hebräischen Text der beiden Bücher Samuel für sehr unerklärlich und korrupt. Unter Verwendung aller hebräischen Beweise und der frühen griechischen Übersetzungen wie der Septuaginta versuchte er, einen genaueren Text zu rekonstruieren. Als nächstes kamen die Pharisäer und Sadduzäer (1874), die sich mit dem Aufstieg, der Entwicklung und den Ideen der beiden dominierenden jüdischen Sekten zur Zeit Jesu befassten. Danach folgte das sehr wichtige Werk Die Composition des Hexateuchs und Der Historischen Bucher Des Alten Testaments (1876-77), das erstmals als Artikel in einer deutschen Fachzeitschrift erschien. Als nächstes erschien sein berühmtestes Werk Geschichte Israels, Band I (1878). Alle späteren Ausgaben dieses wegweisenden Buches trugen den Titel Prolegomena zur Geschichte Israel (1883). Eine englische Übersetzung erschien 1885; Es wurde erst 1957 wieder gedruckt.
Die Prolegomena hat für das Studium des Alten Testaments dieselbe Bedeutung wie Kopernikus ‚ Revolutionibus Orbium Coelestium (1543) für die Astronomie und Darwins Ursprung der Arten (1859) für die Biologie. Nach der Veröffentlichung der Prolegomena wurden die Gelehrten in zwei Lager geteilt: diejenigen, die Wellhausens Grundideen über die hebräische Geschichte akzeptierten, und diejenigen, die dies nicht taten. Der größte Teil der akademischen und gelehrten Welt entschied sich für Wellhausen, aber eine intensive Kontroverse tobt weiterhin über die ganze Angelegenheit. Wellhausen gab auch die späteren Ausgaben von Friedrich Bleeks heraus Standardeinführung in die Literatur des Alten Testaments, Einführung In Das Alte Testament.
Zu der Zeit, als Wellhausen bei Ewald studierte, war die deutsche theologische Welt in Aufruhr über D. F. Strauss ‚Leben Jesu (1835-36). Dieses Werk behauptete, dass die vier kanonischen Evangelien keine Geschichte seien, sondern Sammlungen christlicher Folklore, Mythen, Legenden, Fiktionen und frommer Propaganda, von denen kaum noch eine Spur des wahren Jesus übrig sei. F. C. Baur, ein anderer Student des frühen Christentums, behauptete, dass die Apostelgeschichte unzuverlässig und nicht sachlich sei und dass mehr als die Hälfte der Briefe des Paulus im Neuen Testament nach seinem Tod geschrieben wurden. Baur glaubte, dass das Johannesevangelium war auch spät (c. 150 C.E.) und enthielt keine authentischen Taten oder Sprüche des historischen Jesus. Die alttestamentlichen Erzählungen hatten ähnliche Fragen gestellt. In diesem Zusammenhang verlor Wellhausen seinen Glauben und übernahm bald nur noch kritische, historische und wissenschaftliche Methoden der Untersuchung der Bibel. Dieser Unterschied stand im Mittelpunkt seiner letzten Pause mit Ewald.
Mehr als zwei Jahrtausende lang glaubte man, die Gesetze Moses seien älter als die der hebräischen Monarchie, die von Saul um 1020 v. u. Z. und den hebräischen Propheten im 9. bis 5. Jahrhundert v. u. Z. errichtet worden war. Wellhausen war verärgert, als er versuchte, die Beziehungen zwischen den mosaischen Gesetzen, die angeblich aus dem Jahr 1450 v. u.Z. stammen, und der Monarchie und den Propheten klar zu verstehen. Wellhausen war sowohl unruhig als auch verwirrt über das Konzept, dass die mosaischen Gesetze den Schlüssel und die Erklärung der späteren Zeitalter der hebräischen Geschichte enthielten. Er war schwer verwirrt über die Erklärungen von A. W. Knobel in seinem gelehrten und dann Standardkommentare zum Pentateuch (1852-61) und durch die Schriften seines Mentors Ewald. Wellhausen schrieb: „weit davon entfernt, klare Vorstellungen zu erreichen, geriet ich nur in tiefere Verwirrung, die durch die Erklärungen von Ewald im zweiten Band seiner Geschichte Israels noch schlimmer wurde. Endlich, bei einem gelegentlichen Besuch in Göttingen im Sommer 1867, erfuhr ich durch Ritschl, daß Karl Heinrich Graf das Gesetz später stellte als die Propheten, und fast ohne seine Gründe für die Hypothese zu kennen, war ich bereit, es zu akzeptieren; ich erkannte mir bereitwillig die Möglichkeit an, das hebräische Altertum ohne das Buch der Thora zu verstehen.“
Die Frage war, gab es die Gesetze Moses vor oder nach den Propheten wie Amos, Hosea, Jesaja und Micha? Eine kleine Anzahl von Gelehrten hatte die Propheten bereits vor das Gesetz gestellt. Unter diesen waren Eduard Reuss (1833), J. F. L. George (1835), William Vatke (1835); Dies wurde 1866 von K. H. Graf wiederbelebt. Hier waren Ursache und Wirkung völlig umgekehrt und diese Position wurde als offensichtlich absurd angesehen. Dies lieferte Wellhausen jedoch den Hinweis, den er brauchte, um die gesamte israelitische / jüdische biblische Geschichte in seinem Buch über den Hexateuch und in der Prolegomena wirklich verständlich zu machen. Diese beiden Bände, seine wichtigsten Werke zur jüdischen Geschichte, kippten bald den bestehenden Konsens über die Angelegenheit und führten zu einer wissenschaftlichen Revolution. Wellhausen akzeptierte die sogenannte „dokumentarische Hypothese“, dass die fünf Bücher Moses nicht von Moses geschrieben wurden, sondern aus vier verschiedenen, späteren und anonymen Quellen bestanden, die von Gelehrten mit den Buchstaben J, E, D und P bezeichnet wurden. Wellhausens abschließende Schlussfolgerungen waren, dass das Judentum und der erhaltene Pentateuch nicht vor dem 5. Jahrhundert v. u.Z. existierten. Er glaubte, dass der Priester Esra, nicht Moses im zweiten Jahrtausend v. u.Z., das Judentum um das Jahr 444 v. u.Z. einführte.
1882 zog Wellhausen als Assistenzprofessor für semitische Sprachen nach Halle. Er zog drei Jahre später nach Marburg, nachdem er eine ordentliche Professur erhalten hatte. Sein Aufenthalt in Marburg (1885-91) bildete die glücklichsten Jahre seines Lebens. Während dieser Zeit vertraute er seinen engen Kollegen und Freunden an, dass er das Alte Testament „satt“ habe.